「せむし」の小人たち : エリアス・カネッティの『眩暈』とヴェツァ・カネッティの『黄色い街』におけるユダヤ人の身体(<特集>身体文化)
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概要
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In der christlichen Welt ist die Verachtung der Juden, die z.B. als "Judensau" oder "Wucherer" bezeichnet wurden, schon seit dem Mittelalter belegt. Seit dem 19. Jahrhundert behauptete der damals etablierte Rassenantisemitismus einen vererblichen Determinismus und die Konstanz des "rassisch" charakteristischen Korperbaus. Die Minderwertigkeit von Juden war damit auch korperlich erkennbar. In der Massenkultur breitete sich der visuelle antijudische Stereotype aus, der sich hinter Humor und Karikatur versteckte. Als Trager fungierten Witzblatter und Postkarten. Bei den Postkarten, die zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg ihre Blutezeit erlebten, gab es sogar das Genre der "Judenspottkarte". Diese hatte als Motiv den assimilierten Juden, den "kleinen Cohn", der als Zwerg mit grosser Hakennase und O-Beinen dargestellt wurde. Der "kleine Cohn" versucht beispielsweise Freiwilliger, Turner, Ehemann, auf jeden Fall ein anstandiger Burger zu werden, aber all dies sind vergebliche Bemuhungen. Diese karikierte Figur auf den Karten, die von den damaligen gesellschaftlichen Normen in allem negativ abwich, ist sowohl die Reprasentation des fur den deutschen Burger humoristischen, also "harmlosen" sozialen Aussenseiters als auch das rassistische Zerrbild des assimilierten Juden, das die Schadenfreude der Antisemiten kitzelt. In den 20er Jahren besuchten Elias Canetti und Veza Taubner-Calderon, seine spatere Frau, oft die Vorlesungen von Karl Kraus in Wien und wurden so mit der satirischen Gesellschaftskritik bekannt. In der ersten Halfte der 30er Jahre schrieb Elias Die Blendung und Veza Die Gelbe Srasse mit einer sarkastischen Darstellung der Gesellschaft am Vorabend des Nazismus, und ubertrugen dabei das Karikierte Judenbild, jenen popularisierten Zwerg, auf ihre judischen Romanfiguren. Sie werden als hassliche bucklige Zwerge bezeichnet, wie Siegfried Fischerle im Roman Die Blendung, die Figur des geldgierigen Gauners mit Hakennase, der sich selbst spottisch "Kruppel" nennt, und Frieda Runkel im Roman Die Gelbe Strasse, die Figur der Arbeitgeberin und Behinderten mit einem "verkrummten" Aussehen. Dass diese Judenfiguren jedoch keine einfachen Entlehnungen sind, wird aus Folgendem ersichtlich: Die Blendung gehort zum traditionellen Genre "Charakterroman", der mit Typologien arbeitet und stark mit der Satire verbunden ist. Der Roman perodiert insbesondere den sexistischen und antisemitischen Text Geschlecht und Charakter von Otto Weininger, um den metaphysischen Gedanken sowie die pessimistische Ernsthaftigkeit dieses Textes zu bespotteln. Der unverkennbare Unterschied zwischen dem parodierten Text Geschlecht und Charakter und dessen Parodie Die Blendung ist die Judenfrage. Das Judentum, das von Weininger als abstrakter Begriff negativ gewertet wurde, verkorpert sich im Buckel Fischerles, der davon immer traumt, sich von diesem Buckel zu befreien. Wahrend Canetti die Figur des Juden Fischerle den Standpunkt Weiningers vertreten lasst, der die Uberwindung des Judentums und insofern auch das Nicht-Jude-Werden fur moglich halt, verdeutlicht die Ermordung Fischerles die Grenze der Hoffnung, sich vom charakteristischen Buckel zu befreien; wer seinen Buckel abschneiden kann, ist nicht der Jude selbst, sondern ein anderer. Der Wunsch des "kleinen Cohns", als Teil des deutschen Volks bzw. als deutscher Burger zum Militar zu gehen, stimmt mit dem Wunsch Weiningers, zum Nicht-Juden zu werden, uberein. Trotz seines von der "Norm" stark abweichenden Korpers weiss der "kleine Cohn" nicht, dass er fur den Militardienst fur untauglich erklart wird und deshalb von der deutschen Nation ausgeschlossen bleibt. Deshalb beteiligt sich "der kleine Cohn" unwissend an der Musterung oder marschiert zusammen mit den Frischarlern, was ihn zum Gespott der Leute macht. Genauso wie der "kleine Cohn" nimmt Weininger die Tatsache nicht wahr, dass die Entscheidung des Ausschlusses oder der Integration bei den anderen liegt. Mit der Hilfe der Parodie weist Canetti die Naivitat Weiningers kristisch auf und schreibt Weiningers optimistischen Schluss, namlich die Uberwindung des Judentums, in die tragische Folgerung um. Elias Canetti, der als Jude in den 30er Jahren die nationalsozialistische Gesellschaft erlebte, blieb nichts anders ubrig, als die Juden-Ermordung im Roman ls Folge des gesellschaftlichen Ausschlusses darzustellen. Veza Taubner-Calderon-Canetti, die damals als Autorin unter Pseudonymen wie Veza Magd oder Martha Murner in den sozialdemokratischen Zeitungen wie der Arbeiterzeitung u.a. tatig war, reagierte auf das Wiederaufbluhen der Lavaterschen Physiognomik. In ihrem Werk stellte sie die Hauptfigur Runkel Frieda als hassliche Zwerg-Judin dar, nicht um die Physiognomik zu affirmieren oder zu verstarken, sondern, im Gegenteil, um ihre Fragwurdigkeit zu zeigen, indem sie die innig versteckte Brutalitat des gesunden Burgers, seinen abstossenden Blick auf Frieda und seine unlogische, auf dem physiognomischen Urteil fungierende Rechtfertigung darstellte. Veza lasst den Roman mit einer bitteren Ironie auf den arroganten Burger und auch auf die Physiognomie enden. Auf der Judenspottkarte wurde einst der "kleine Cohn" mit dem "verkrummten" Korper bei der Musterung karikiert. Frieda, auch eine kleine Judin mit schwerer Behinderung, die als Arbeitgeberin Macht ausubt und der schonen Verkauferin kundigt, wurde allerdings nicht komisch, sondern eher grotesk beschrieben. Der Burger macht Frieda nicht mehr zum Gespott, sondern hegt einen morderischen Hass gegen sie, die trotz ihres befremdeten Korpers zur herrschenden Klasse gehort. Hinter der Verachtung des Burgers gegenuber dem Zwerg, der auch den judischen Neureichen in der Gesellschaft verkorpert, verbergen sich Neid und ein Gefuhl der Bedrohung. Die Figurenkonstellation der Gelben Strasse stimmt mit der Figurenkomposition uberein. Hier umgeben die "geraden" Burger Frieda und dort umgeben sie den "kleinen Cohn". Der Spott des Burgers, der auf den Judenspottkarten gegen den kleinen Juden gerichtet ist, entwickelt sich in der Gelben Strasse zur Mordlust. Vezas Satire richtet umgekehrt ihren Spott auf diesen sich fur anstandig haltenden, brutalen Burger.
- 2012-03-25
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