エリアス・カネッティの群衆 : 他者と偶有性への活路(2.群衆の観相学-カネッティ・モデル,<特集>群衆と観相学/群衆の観相学)
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概要
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Das zur Zeit dcr Franzosischen Revolution in der modernen burgerlichen Gesellschaft entstandene Phanomen der Masse hielten Massentheoretiker wie Gustave Le Bon, Sigmund Freud und Hermann Broch fur die grassliche Erscheinung einer "Auflosung des Individuums" bzw. fur die Bedrohung des modernen autonomen Ich. Dagegen sah Elias Canetti eben in der Auflosung des Individuums durch das Massenerlebnis eine positive Moglichkeit. Die Art und Weise, wie er sich mit der Masse befasst, unterscheidet ihn von vielen anderen Denkern. In diesem Aufsatz wird Canettis Argumentation in "Masse und Macht" untersucht. Vor allem im Hinblick auf seinen Begriff der Masse legen wir dabei den Schwerpunkt auf seine Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Daruberhinaus werden sowohl die positiven Moglichkeiten, die nach Canettis Theorie das Phanomen der Masse enthalt, herausgearbeitet als auch das Verhaltnis dieser Moglichkeiten zu dem Phanomen der Macht. Aufgrund seiner eigenen Massenerlebnisse in den 20er Jahren gelangte Canetti zu der Ansicht, dass die Masse-anders, als es bisherige Massentheoretiker behauptet hatten-keine Fuhrer braucht, um sich zu bilden. Er sah in ihr cine Erweiterung von Erlebnismoglichkeiten, wobei Menschen aus ihren Begrenzungen heraustreten und zusammen mit den anderen eine hohere Einheit bilden konnen. Diesen positiven Eindruck von Erlebnissen mit der Masse spiegelt die geistige und seelische Verfassung Georg Kiens in dem Roman "Die Blendung" (1935) wider. Kiens Auffassung der Masse wird als so utopisch wiedergegeben, dass dessen eindeutiges Ja zu ihr offenkundig wird, freilich in fanatischer Ubersteigerung. Canetti bleibt bei seiner positiven Einschatzung des Phanomens Masse in dem erst 1960 veroffentlichten theoretischen Hauptwerk "Masse und Macht", aber dort ist die utopische Vision eines Georg Kien verschwunden und werden stattdessen Moglichkeiten und Grenzen des Massendaseins in der realen Gesellschaft thematisiert. Innerhalb der Masse komme eine "Umkehrung der Beruhrungsfurcht" zustande, und dies halt Canetti in der Gesellschaft fur die einzige Moglichkeit, die Unterschiede zwischen den Menschen zu uberwinden, obwohl dieses Befreitsein nur andauert, solange die Masse besteht. Dass Einzelne zu einer Masse werden konnen, stellt fur Canetti keine Bedrohung oder Verneinung der Einzigartigkeit des Ich dar, sondern er erlebe bier den glucklichen Augenblick, in dem sein Ich und die anderen gleich werden konnten. Innerhalb der Masse, wo alle die Moglichkeit batten, sich gleich zu fuhlen, erlebe man zwar unvermeidlich den Verlust seiner Subjektivitat und seiner Eigenart, gleichzeitig werde aber auch die eigene Kontingenz erfahren. Durch das Massenphanomen werde eine Seite des Individuums, namlich seine Kontingenz, offenbar, die in jedem angelegt sei, deren er aber, vom je herrschenden Machtsystem unterdruckt, in der Gesellschaft beraubt sei. Der Soziologe Masachi Osawa definiert "Kontingenz" als eine Moglichkeit, anders zu sein, d.h. als eine Verneinung der Unmoglichkeit und der Notwendigkeit. Demnach entspricht Kontingenz dem Canettischen Begriff der "Verwandlung", weil diese bei ihm wortwortlich eine vollige Anderung des Ich zu etwas Kontingentem bedeutet; ich konnte vollig anders oder sogar jeder sein. Die Verwandlung wird als der Prozess einer Bewegung durch einen offen gehaltenen Zugang zu den anderen Menschen erklart. Die Erfahrung der Kontingenz in der Verwandlung bezeugt, dass dem Individuum nicht nur die Moglichkeit seiner Einzigartigkeit gegeben ist, sondern auch die zur Andersheit, zu etwas, das nie auf die individuelle Selbstidentitat zu reduzieren ist. Die Erfahrung der Verwandlung in der Masse ermoglicht so das Gefuhl, die anderen sein zu konnen, und halt in diesem kontingenten Erlebnis den Zugang zu den Menschen offen. Die menschliche Fahigkeit zur Verwandlung wird nach Canetti in der Gesellschaft deshalb immer starker von dem jeweiligen Machtsystem unterdruckt, weil es nur auf diese Weise gelingt, die Identitat der einzelnen Individuen dauerhaft zu fixieren. Die Macht festige sich mit dem zunehmenden Ausschlieβen der menschlichen Kontingenz und dem Zwang zur festgestellten Identitat. Sie zwinge die Menschen in einen der Verwandlung inversen Prozess hinein, in den der "Entwandlung". Infolgedessen werde der durch die Verwandlung offen gehaltene Zugang zu den anderen versperrt. Die Art dieser Machtausubung nun wird in "Masse und Macht" am Fall des Schlachtfeldes thematisiert, vor allem am Beispiel des "Uberlebens". Canetti betont, dass der Augenblick des Uberlebens eben der Augenblick der Macht sei. Das zufallige, aber irreversibele Resultat, dass der Uberlebende nicht selbst der Tote, sondern dass jemand anderer tot ist, habe alle anderen Moglichkeiten beseitigt, z.B. die, dass der Uberlebende selbst gefallen sei oder ein anderer ihn uberlebt haben konnte. Es ist, als ob solche Moglichkeiten nie existiert hatten, und jenes Resultat fungiert dann fur den je Uberlebenden als das "Schicksal", dass er notwendigerweise uberleben musse. Hier geschieht eben "Entwandlung". Der Uberlebende verneint seine eigene Kontingenz und die der anderen und fuhlt sich einzig, auserwahlt. Dies betrachtet Canetti als "Tauschung". Der Uberlebende bekomme das Gefuhl, alle anderen Menschen seien fur ihn gestorben, und bilde sich ein, dass er der Machthaber sei, dem das Recht zustehe, uber Leben und Tod der anderen zu entscheiden. Mit dieser Tauschung nahert sich zwar seine "Einzigartigkeit" immer mehr der "Unverletzlichkeit", aber er fuhlt sich-ob er tatsachlich bedroht wird oder nicht-stets von potenziellen Feinden bedroht, weil er so sehr an seinem Uberleben hangt, dass sich sein Gefuhl des Bedrohtseins bis zum Verfolgungswahn steigert. Nach Canetti bildet sich im Prozess dieser zunehmenden Tauschung eine Affinitat zu jenem Machtsystem heraus, das durch Verschlossenheit und den Hang zum Perfektionismus gepragt ist. Gerade ein Machtsystem, fur das der reale Kausalzusammenhang total ins Gegenteil verkehrt und einzig der Notwendigkeit zugeordnet werde, und das paranoide Wahnsystem stimmten uberein. Nach Canetti besteht also zwischen der Paranoia und der Macht ein unlosbarer Zusammenhang. Die Paranoia sei "eine Krankheit der Macht". So halt er das Wahnsystem eines Paranoiden wie des Daniel Paul Schreber und Adolf Hitlers politisches System des Nationalsozialismus fur identisch. In diesem Sinne wird die Paranoia ein Anhaltspunkt zu Canettis Untersuchung der Wurzeln des Faschismus in "Masse und Macht". In einer von der Notwendigkeit beherrschten Welt, besonders im paranoiden Wahnsystem, wo das Viele eins ist, haben die anderen nur das uniforme Gesicht des Feindes, der den Machthaber bedroht. So werden diese Individuen ihrer Kontingenz beraubt, d.h. der Moglichkeit, dass sie auch anderes als nur Feinde sein konnten. Doch auch die Kontingenz selbst wird vom Machthaber missbraucht; die Individuen werden zu einer anonymen Masse, die dasselbe, immer gleiche Gesicht zeigt, also nicht irgendetwas, sondern "nichts". Und wenn die Unberechenbarkeit der anderen bzw. sie in ihrer Kontingenz fur das paranoide Wahnsystem unertraglich wird, vertilgt es zuletzt ihre blosse Existenz. Die Kontingenz als eine Moglichkeit, anders sein zu konnen, ist eines der Resultate von Canettis Untersuchung des Phanomens der Masse und der Erfahrung der Verwandlung in ihr. Es sei dies jedoch eine Moglichkeit, die man im Voraus weder bestimmen noch demonstrieren konne, weshalb auch weder zu klaren noch zu bestatigen sei, welche Moglichkeiten man verpasst habe. Gerade weil man sie vorher nicht anzeigen konne, vermoge die Kontingenz zu dem einzigen immer offenstehenden Weg eines Zugangs zu den Menschen zu werden, die nur das Eine gemeinsam hatten, dass sie auch das je andere Ich sein konnten. Solange man am Leben bleibt, kann jeder zu einem Machthaber werden. Deshalb relativiert Canetti das paranoide Machtproblem und wagt es, nach der Losung eines Problems zu suchen, das eigentlich unlosbar ist. Seine Auseinandersetzung mit dem Faschismus beginnt wohl schon aufgrund seiner eigenen fruheren Massenerlebnisse. Als die einzige Methode des Widerstands gegen die Macht sah er es an, sich die Kontingenz zu bewahren und sich so den Zugang zu den anderen offen zu halten.
- 2006-10-30
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