ゲーテのラオコーン論について : 身体・空間を巡る十八世紀後半のディスクルスの帰結として(<特集>身体文化)
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概要
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Im Jahre 1798 veroffentlichte Goethe im ersten Band der Propylaen einen kleinen Aufsatz mit dem schlichten Titel Uber Laokoon, zu dem er durch einen auf seine Empfehlung hin in die Horen aufgenommenen Artikel von Aloys Hirt angeregt wurde, der unter physiologischen Gesichtspunkten den Ausdruck des geoffneten Mundes von Laokoon in der sog. Laokoon-Gruppe behandelt. Goethe bekundet zwar auch Interesse fur die Darstellung der Korper in diesem Kunstwerk, bleibt aber nicht bei blossen physiologischen Kausalitaten stehen, sondern sieht in Laokoons Schmerzen die Verwirklichung einer plastischen Asthetik. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei im Gegensatz zu Lessing darauf, dass er in diesem Werk der bildenden Kunst eine immanente Zeit erkennt. Goethe postuliert fur das hohe Werk der bildenden Kunst 5 Maximen: Charakter, Ruhe oder Bewegung, Ideal, Anmut und Schonheit. Er schatzt an der Laokoon-Gruppe die volkommene Erfullung aller dieser Bedingungen. Die Forderung nach Selbstandigkeit des Kunstwerkes kann auf vier Weisen erfullt werden: 1. wenn der dargestellte Gegenstand einzelstehend ist; 2. wenn der dargestellte Gegenstand in einer Gruppe gezeigt wird; 3. wenn die dargestellten Personen miteinander durch eine starke Leidenschaft verbunden sind; und 4. wenn eine Bewegung gleichzeitig mit ihrer Ursache gezeigt wird. Die Laokoon-Gruppe ist in letzterem Sinne selbstandig. In der Plastik wird folgende Situation gezeigt: Wahrend der jungere Sohn schon von einer Schlange gebissen schmerzvoll seine Arme hebt und der Vater gerade von einer zweiten Schlange gebissen wird, sind bei dem alteren Sohn nur erst ein Arm und ein Fussgelenk von den Schlangen umwunden. Nach Simon J. Richter zeigt sich an diesen drei Personen die Trilogie der Tragodienempfindungen: Mitleid bei dem bereits zum Sterben verurteilten jungeren Sohn, Schrecken bei dem in diesem Moment angegriffenen Vater und Furcht vor der bald zu erwartenden Qual bei dem alteren Sohn. Die Schlangen binden diese drei Korper zusammen und kommen so als eine anmutige Spur des Zeitlaufs zum Vorschein. Das Erschrecken des Vaters erzeugt dagegen noch eine andere Zeit: Die Muskeln zucken und Bewegungen laufen von der Wunde zu den Extremitaten und in das Gesicht. Aus dieser Bewegung entsteht ein transitorischer Augenblick. Lessing verabscheute den transitorischen Augenblick und empfand es als unschicklich, ihn darzustellen. Goethe behauptet im Gegensatz dazu, dass gerade durch den transitorischen Augenblick eine pathetische Darstellung ermoglicht wird. Herder kritisierte in seinen "Kritischen Waldern" Lessings negative Betrachtung des transitorischen Augenblicks. Herders Zweck war dabei die Rettung der Allegorie, die bei Lessing wesentlich zur Kunst des Nebeneinanders gehort und der dichterischen Kunst, der Kunst des zeitlichen Aufeinanders, ganz fremd ist. Herder entwickelt einen historischen Mythos mit Allegorien, die nicht als Zeichen des personifizierten Abstrakten, sondern als von Innen interpretierte Personen vorgestellt werden. Winckelmann sieht das Ideal der antiken Statuen in den runden und glatten Beinen von Gottern, sowohl bei dem jungen androgynen Apollo als auch bei dem maskulinen Jupiter. Er mag zwar nicht organisch sein, bleibt jedoch materiell. Bei der Beschreibung des Torsos von Belvedere verwendet Winckelmann eine Wasser-Metapher: Muskelwellen auf den Schultern. Die Vorstellung des solcherweise verwandelt sich in das Feld von Delphi, auf dem Apollo gegen Python kampft. Nach H. Pfotenhauer ist diese Anschauungsweise Winckelmanns jedoch halluzinatorisch. Solche imaginierte Landschaften mit konkreten Korpen sind dem englischen Landschaftsgarten verwandt, in dem Statuen von nackten Korpern als Staffage plaziert sind. Goethe erklart, dass die Laokoon-Gruppe "einer Tragischen Idylle" gleiche, in welcher ein Vater mit seinen Sohnen nackt an einem locus amoenus verweilend von giftigen Schlangen angegriffen wird. Durch diese Verortung wird das Werk, isoliert vom mythischen Kontext, selbstandig. Goethes Aufsatz steht in Opposition zu Lessings Auffassungen. Ist nach Lessing die Zeit in der Handlungskette ausgedruckt, so wird sie bei Goethe durch die Bewegung des daseienden Gegenstandes erzeugt. Das Postulat der Sichtbarmachung der Zeit im Korper wurde von den Klassikern von Winckelmann bis David aufgestellt, die die Gegenstande auch innerhalb der Welt der Lekture in einem moglichst realitatsnahen nackten Korper veranschaulicht sehen wolten. Goethes Begriff von der tragischen Idylle Laokoons ist der Winckelmannschen Idee von der Raumtransfiguration verwandt. In Goethes Werken sind vielw solche Vorstellungen zu finden, z.B. bei der Brunnenszene im "Werther". Nach W. Vosskamp ist im Laokoon-Diskurs von Winckelmann bis Goethe ein Modell der Transkriptivitat von Medien zu betrachten. Er verweist auf Transkriptionen zwischen den bildenden und dichterischen Kunsten, jedoch muss hier noch die Gartenkunst genannt werden. Goethes 'Uber Laokoon' kann als ein Gedankenversuch der Landschafttextualisierung gelesen werden, der die in nackten Korpern inkarnierten Allegorien an eine im Sinne des locus amoenus verklarten deutschen Landschaft anzupassen versucht. Fur weitere Erorterungen uber Goethes Werke sollten die hier behandelten Punkte unbedingt in Betracht gezogen werden. Dies gilt zunachst und von allem fur seine Beschreibungen der Baukunst in Italien, deren Begrifflichkeit der im Laokoon-Aufsatz ahnelt, es ist aber daruber hinaus auch bei der Erorterung anderer Werke Goethes von grosster Bedeutung.
- 2012-03-25