18世紀後期における政治的家庭劇 : 市民家族の二つの顔
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概要
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George L. Mosse betont in einem seiner Hauptwerke, "Nationalism and Sexuality", die Bedeutung der burgerlichen Familienordnung fur die Entwicklung des modernen Nationalstaates. Die mit der burgerlichen Familie verknupften moralischen Vorstellungen bereiteten als die wirkungsvollsten Normen der Gesellschaft die fiktive Einheit der Staatsangehorigen vor, welche unentbehrlich war, um den modernen Nationalstaat in Gang zu halten. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt Mosse umfassend und deutlich, wie repressiv die burgerliche Familienordnung im Modernisierungsprozess fur die Lebensfuhrung des einzelnen Burgers wirkte. Aber wenn man einen Blick auf das 18. Jahrhundert wirft, in dem die moderne burgerliche Familie erst entstand und sich ausbreitete, sind auch ganz andere Aspekte an ihr als der eines repressiven Organs des Staates zu erkennen. Im Prozess des Aufstiegs des Burgertums diente die Familie im offentlichen Bewusstsein vor allem den Vorstellungen eines auf Liebe und Humanitat gegrundeten mitmenschlichen Zusammenlebens. In der burgerlichen Familie, die sich durch die Sensibilisierung und Emotionalisierung der innerfamiliaren Umgangsformen von den fruheren Familienformen unterscheidet, sah das damalige Bildungsbur gertum die Moglichkeit, ursprungliche, humane Formen des Zusammenlebens zu verwirklichen; von daher hatte die burgerliche Familie auch ein gesellschaftskritisches und utopisches Potential. Also zeigte die burgerliche Familie im Modernisierungsprozess zwei Gesichter: eines als Verursacher einer lebensfeindlichen Repression und eines als vorbildliche Verwirklichung des burgerlichen Ideals der Humanitat. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, anhand von Dramen des spaten 18. Jahrhunderts das Verhaltnis dieser zwei Gesichter zueinander zu untersuchen. In Bezug auf dieses Verhaltnis wies Jurgen Habermas in "Strukturwandel der Offentlichkeit" einmal auf die patriarchalische Struktur der burgerlichen Familie hin und stellte fest, dass gerade diese Struktur die idealistischen Aspekte der burgerlichen Familienvorstellung verdarb und aushohlte. Es muss also danach gefragt werden, wie weit dieser Feststellung zuzustimmen ist. Zuerst wird "Don Karlos" als ein konkretes Beispiel dafur in Betracht bezogen, wie eng die burgerlichen Vorstellungen von der Familie mit dem burgerlichen Ideal der Menschheit verbunden waren. In diesem Drama bildet das despotische spanische Weltreich unter Philipp II. Anlass und Ausloser fur die Imagination einer humanen Republik. Dabei wird die Unmenschlichkeit des Despoten Philipps vor allem durch sein problematisches Verhalten gegenuber seinem Sohn hervorgehoben. Sein Sohn Karlos, der trotz seiner adligen Herkunft als Trager burgerlicher emotionaler Verhaltensformen auftritt, druckt seine Sehnsucht nach einer menschlichen Gesellschaft dadurch aus, dass er vom Vater eine empfindsame Versohnung fordert. Die herbeigewunschte humane Republik wird somit mit dem Ideal einer gefuhlsbetonten Vater-Kind-Beziehung in direkte Verbindung gebracht. Das zweite Drama, das bier behandelt wird, ist das politische Familienstuck "Die Kokarden" von A.W. Iffland. Im Unterschied zu "Don Karlos" ist dieses Drama von einer konservativen Einstellung gepragt, die vor allem darin klar zu sehen ist, dass hier die Herrschaftsordnung durch die "Landesvaterideologie" verteidigt wird. In diesem Drama treten auch die repressiven Aspekte der burgerlichen Familie in den Vordergrund, wie die Darstellung der Vater-Tochter-Beziehung zeigt. Wichtig ist aber die Tatsache, dass diese konservativen Aspekte der Familie nicht durch patriarchalische Wertvorstellungen gerechtfertigt werden, sondern gerade durch die Vorstellung von der Familie als einer utopischen Gemeinschaft in Liebe und Humanitat. Wenn man das Unterdruckerische der burgerlichen Familie nur aus dem patriarchalischen Wertsystem ableitet, wird die Rolle der Familienordnung im Modernisierungsprozess missverstanden. Die Familienstucke des spaten 18. Jahrhunderts zeigen eine untrennbare Verbindung zwischen der burgerlichen Familie und den burgerlichen Idealen und zugleich die divergierenden Wirkungen dieser Ideale.
- 2010-03-25