複製技術時代の記憶像 : プルーストにおける写真メタファーの、ベンヤミンによる受容について
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概要
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Die Fotografie stellt die moderne Bedingung des Gedachtnisses dar, wie Prousts Suche nach der verlorenen Zeit bestatigt. Benjamin scheint sich spatestens nach dem Essay Kleine Geschichte der Photographie (1931) daruber bewusst zu sein. Denn sein Fragment Aus einer kleinen Rede uber Proust, an meinem vierzigsten Geburtstag gehalten (1932) stellt Prousts Begriff der memoire involontaire in Analogie zur Fotografie. Dieser Analogisierung liegt Freuds Gedachtnistheorie zugrunde, vor allem die Unterscheidung von gedachtnislosem Bewusstsein und bewusstlosem Gedachtnis im Aufsatz Jenseits des Lustprinzips, den Benjamin bereits in seinem Pariser Tagebuch (1930) als den "grundlegenden Proust-Kommentar" versteht. Weil die Kamera ein bewusstloser Apparat ist, kann ihre blitzschnelle Wahrnehmung unbewusste Bilder bewahren, die nachher unversehens in Erscheinung treten. Benjamin nimmt die memoire involontaire als fotografisches Erinnern zuerst in einer erinnerungsasthetischen Reflexion der Berliner Chronik (1932) auf, um sie konsequent in der Berliner Kindheit um neunzehnhundert (1932-1938) in Praxis umzusetzen. Dieser autobiographische Text stellt namlich nicht mehr eine kontinuierliche Lebensgeschichte dar, sondern besteht aus der Sammlung der miteinander unzusammenhangenden Kurzprosa als "Bilder", die verschiedene Momente der Kindheit wie Momentaufnahmen festhalten. Erst daraus lasst sich das letzte Stuck der Berliner Kindheit erklaren. Doit tritt Das bucklichte Mannlein als Verwalter des unbewussten Gedachtnisses auf, das zum Ende vor den Augen des Sterbenden bzw. des Abschied Nehmenden jene an Eadwerd Muybridges Reihenfotografie erinnernden Bilder des ganzen Lebens wie einen Film vorbeiflitzen lasst. Es liegt dabei kein Zweifel davor, dass die Vorstufe zu dieser Stelle jenes Fragment uber Proust ist, das Benjamin denkend an den geplanten Selbstmord im 40. Lebensjahr schrieb. Manfred Schneider stellt fest, dass Prousts Suche nach der Vergangenheit sich nicht mehr an der Schrift als autobiographischem Gedachtnismedium seit Augustinus orientiert, vielmehr die Fotografie als neues Paradigma der autobiographischen Diskurse erscheinen lasst. Die Fotografie-Metapher ist fur Proust formbestimmed, wenn eine Reihe von gelebten Augenblicken, die durch den Zufall isoliert werden, den poetologischen Vorrang vor der linearen Handlung des Romans behauptet. Benjamin radikalisiert Prousts Ansatz. Denn die Fotografie bestimmt die Bauform seiner Texte selbst, die ohne jedes narrative Band auskommt: Die Berliner Kindheit ist als Album fotografischer Erinnerungsbilder zu verstehen. Benjamins Einbahnstasse war bereits ein damit vergleichbares Experiment zur Erneuerung der Schriftkultur. Das Ende der Gutenberg-Galaxis diagnoszierend, thematisiert dieser Text den Begriff des Buchs als privilegierten Raums der Schrift, um sie in den neuen Medien-Spielraum der Grossstadt zu zerstreuen. So konzipiert Benjamin sein Buch als die Strasse, die sich der modernen Massenkommunikation offnet. Die Berliner Kindheit steht in derselben Konstellation wie dieses avantgardistische Buch: Sechs Kindheitsbilder, die unter dem Titel Vergrosserungen auf der Einbahnstrasse zur Schau gestellt wurden, hat Benjamin in die Berliner Kindheit aufgenommen. Sein Essay Der Erzdhler (1936), der die verlorengehende Erzahlkunst thematisiert, weist auf die absinkende Autoritat des Todes in der Moderne hin. Heute gibt es fur den Sterbenden nicht mehr die Chance, seine Erfahrung durch das Erzahlen tradierbar zu machen. Angesichts dieser Krise des kollektiven Gedachtnisses setzt Benjamin auf den Film als technischem Massenmedium. So heisst eine Notiz zu dem Essay: "Der Unsinn der kritischen Prognosen. Film statt Erzahlung." Das bucklige Mannlein als Marchenfigur ermoglicht, das Gedachtnis des Sterbenden noch einmal zu tradieren, indem es sein Revier aus dem philologischen Bucher-Raum in den Film verlegt. Wahrend der Film bei Proust trotz der Ubiquitat der Fotografie in seinem Roman fast kerne formbestimmende Rolle spielt, konvergieren Benjamins "Marchenphotographien" (Adomo) mit dem Film. In dem literatursoziologischen Aufsatz Ubereinige Motive bei Baudelaire (1939) sieht Benjamin, ganz anders als in jenem Fragment, die memoire involontaire Prousts durch die Reproduktionstechnik bedroht. Die Fotografie bedeute fur Proust nichts anderes als eine massenhafte Erweiterung der memoire volontaire, durch die sich die Chance der einmalig-auratischen memoire involontaire verringere. Hinter dieser veranderten Einschatzung steckt Benjamins kritischer Blick auf einen "auswegslos privaten Charakter" der proustischen Erinnerung, der in einem von der Grossstadtmasse abgeschlossenen Zimmer entstand. Im Vergleich mit den "correspondances" bei Baudelaire erscheint Prousts memoire involontaire nun in Benjamins Augen nur um den Preis der Kollektivitat zu teuer erkauft. Deshalb musste Benjamins Radikalisierung der proustischen Fotografie-Metapher das Massenmedium Film intendieren: Der Film als "zweite Technik", die nicht mehr auf die "Naturbeherschung", sondern auf das "Zusammenspiel zwischen Menschen und Natur" abzielt, verwirklicht sozusagen die correspondances ohne Aura. Das buckliche Mannlein vermittelt dem neuen Medium diese alte Utopie. Wenn die sogenannte Fassung letzter Hand der Berliner Kindheit (1938) dann die Intention auf den Film dadurch verleugnet, dass sie fast jeden Bezug auf die Fotografie streicht, dann gesteht Benjamin angesichts des Siegeszugs des Nationalsozialismus ein, seine Wette auf den Film zu verlieren. Statt des Marchens des Films tritt in Uber den Begriff der Geschichte (1940) das Marchen der Theologie in der Gestalt des bucklichten Mannleins auf.