芸術的変換装置としての物語 : C.ブレンターノの『平和人形の入った箱』
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概要
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"Die Schachtel mit der Friedenspuppe" (1814) von Clemens Brentano ist eine Rahmenerzahlung, deren Schauplatz auf dem Landgut eines preussischen Edelmanns in der Zeit des Wiener Kongresses, gerade ein Jahr nach der Leipziger Schlacht (Oktober 1813), gelegen ist. Das ist die unmittelbare Gegenwart der Entstehung des Werkes. Da in diesem Werk politische und restaurative Motive zu erkennen sind, gilt es bisher als "eine patriotische Restaurations-Erzahlung". Andererseits wird es wegen seiner Handlung (der Aufdeckung der Unterschiebung eines Kindes) auch als eine Erzahlung der Gerechtigkeit oder sogar als eine Kriminalnovelle gelesen. Dieses Werk - als Kriminalnovelle - zeigt aber manche Inkonsequenten, die vor allem von den Figuren der Puppe und der Schachtel herkommen. Diese beiden Figuren entfalten ihre Bedeutung auch dann nicht vollkommen, wenn man dieses Werk fur eine Restaurationserzahlung halt. Es kann vielmehr als Poetologie gelesen werden, die sich anhand dieser Schlusselfiguren entwickelt. In der vorliegenden Arbeit wird die in den Text eingeschriebene Poetologie Brentanos erklart. Dabei wird dargelegt, dass der Tod den Kern seiner Poetologie ausmacht. Im Mittelpunkt der Erzahlung steht eine Schachtel, die der Baron in Paris von einer Trodlerin gekauft hat, um die Friedenspuppe, ein Geschenk fur seine Frau, unbeschadigt in die Heimat zu tragen. Die vier Franzosen, die zufallig bei dem Baron beisammen sind, kennen diese Schachtel schon und nennen sie "die Buchse der Pandora". Sie erzahlen abwechselnd uber die Schachtel, und aus ihren Geschichten wird klar, dass einmal der Frau eines Chevaliers anstelle ihres Kindes eine Kinderleiche in dieser Schachtel untergeschoben worden ist. Die vier Franzosen hatten auf irgendeine Weise an dieser Aktion Anteil. Die Erzahlung ist aber nicht nur in der Form einer Rahmenerzahlung geschrieben, sondern ist auch auf der Ebene der Rahmenhandlung voll von Figuren, deren Funktion es ist, das Leben einzuschliessen und zu toten. Der Inbegriff solcher Rahmenfiguren ist diese Schachtel mit der Puppe bzw. der Leiche. Wahrend diese Schachtel fur den Baron ein Behalter des Friedens ist, ist sie fur die Franzosen die Schachtel der Leiche. Aber gerade diese Erkenntnis der Schachtel als Todesschachtel verleiht den Franzosen die Fahigkeit zu erzahlen. Die Schachtel schliesst das Leben als Stoff der Dichtung ein und transformiert es in einen kunstlerischen Zusammenhang, indem sie es totet. Die Schachtel druckt die Gewalt kunstlerischer Umwandlung von Leben in Totes aus. Auch die Aussenerzahlung beruht auf dem Todesmoment. Zwei der vier Franzosen sterben, nachdem sie die Geschichte uber die Schachtel erzahlt haben. Bei ihrem Tod haben die Schachtelfiguren wie Buchse (Jagdgewehr) und verschlossene Zimmer gewirkt. Und hier wird die Funktion der totbringenden Schachtel klar. Die voll entfaltete Gewalt der Schachtel schafft nicht eine Erzahlung mit lebendiger Stimme, eher eine Erzahlung in der Schrift. Die Aussage der beiden Franzosen wendet sich in der Mitte des Werkes sowohl von der Falschaussage zum Gestandnis der Wahrheit als auch vom Mundlichen ins Schriftliche. Die literarisierende Funktion der Schachtel ist im Bild des Verbandes dargestellt. Am Anfang war die Schachtel fur den Baron zum Schutz der Puppe bestimmt. Aber alle Binnenerzahlungen zielen darauf ab, die Puppe zu beschadigen und sie mit der Leiche zu identifizieren. Bei Brentano zeigt sich die Puppe, die einmal verneint wird, als Leiche. Das Eigentumliche an der Puppe bei Brentano liegt darin, dass sie als Balg ohne geringste Lebendigkeit dargestellt ist. Seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, als "L'homme machine" (1748) von La Mettrie erschien und die erste Ausstellung von Vaucansons prazisem Automaten "Der Flotenspieler" (1838) stattfand, kam grosses Interesse fur Automaten in Europa auf, was seinen Niederschlag auch in der zeitgenossischen deutschen Literatur, z. B. bei Brentano, gefunden hat. Autoren wie E.T.A. Hoffmann, Jean Paul oder A.v.Arnim haben in ihren Werken das Motiv der Automaten haufig behandelt. Aber die Brentanosche Puppe ist wegen ihrer Leichenhaftigkeit nicht mit solchen Automaten, sondern eher mit der Puppe verwandt, die W. Benjamin im Kontext seiner Analyse des barocken Trauerspiels untersucht hat. Benjamin findet die Puppe zur Vorstellung der Leiche geeignet. Aber er sieht in der Puppe nicht allein ein Todesmoment, sondern halt den Menschenkorper selber fur puppenhaft. Die Puppe stellt den verletzten Menschenkorper dar, dieser aber, der lebendige Menschenkorper, die starre Puppe. Wenn das Leben als Korper dargestellt wird, geht es nur als starre Puppe, namlich als Leiche in den Bereich der Kunst ein. In diesem Sinne verkorpert die Puppe das Leben des Kunstwerks und den Tod des Lebens als Gegenstand der Darstellung. Jedes Kunstwerk kann namlich als Puppe betrachtet werden. Daher liegt die Figur der Puppe in der Mitte des Werkes von Brentano, das die Poetologie zum Thema macht. Die Erzahlung von Brentano schliesst mit einer Blaupause einer neuen Kapelle im Bau. Die Erzahlung, die bisher ausschliesslich die Geschlossenheit des Rahmens betont hat, endet mit einer offenen Form. Das Werk "Die Schachtel mit der Friedenspuppe" ist in die noch nicht vollendete Kapelle versetzt. Das heisst, diese ganze Erzahlung ist nicht auf den geschlossenen Kunstraum, sondern auf den historischen offenen Zeitraum bezogen. Wahrend Brentanos kunstlerisches Schaffen - dem Leben als Stoff dem Tod zu schenken und es in den geschlossenen Kunstraum zu transformieren - vollkommene Geschlossenheit behauptet, sagt er dem so geschaffenen Kunstwerk keine Geschlossenheit bzw. Vollkommenheit zu. Die Geschichtlichkeit seines Werks liegt in der Kritisierbarkeit in der Nachwelt. Sie ist nicht in seiner Thematik, sondern in seiner Poetologie begrundet.
- 2009-03-25