ゲーテ『タウリスのイフィゲーニエ』における「言葉」と「暴力」(<特集>近代における古代)
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概要
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In Goethes Drama Ipbigenie, dessen Hintergrund voll von blutigen Gewalttaten ist, wird der dunkle Schauplatz "dichtbelaubter Hain" durch die Kraft der Worte, die die Personen dort miteinander wechseln, allmahlich hell und die Protagonistin gewinnt am Ende friedlich ihre Heimkehr. Aber der Sieg der Worte uber die Gewalt ist nicht leicht zu erringen, weil Wort und Gewalt in diesem Drama nicht unbedingt gegensatzliche, sondern eher eng miteinander verflochtene Momente sind. Iphigenie wird mit der schwierigen Frage konfrontiert, wie man mit Worten, die oft auch das Moment der Gewalt enthalten, gegen die Gewalt kampfen und sich davon befreien kann. Diese Aporie ist ein Hauptproblem dieses "verteufelt humanen" (Goethe) Dramas. In diesem Aufsatz soll die Dynamik dieses Dramas dadurch herausgearbeitet werden, dass das Augenmerk auf Knotenpunkte von Wort und Gewalt gerichtet und Wechselwirkungen zwischen beiden analysiert werden. Dabei wird der Schwerpunkt auf den Dialog zwischen Iphigenie und Thoas gelegt, denn erstens beziehen sich these beiden Personen, jede nach ihrer Weise, ambivalent auf die beiden Momente und zweitens hangt ihr Dialog mit der Problematik um das Gotterwort, bei dem es sich auch um die Verflechtung von Wort und Gewalt handelt, eng zusammen. Iphigenie steht im Hinblick auf die Sprache auf dem starksten und zugleich schwachsten Standpunkt. Einerseits hat sie als Priesterin das Recht, die machtigen Gotterworte mitzuteilen, andererseits sieht sie sich nur als einen begrenzten Menschen an, der dem unendlichen Gott gegenuber "arm und stumm" ist. Daruber hinaus klagt sie uber die Entfremdung der Frauen, von deren mannerabhangigem Schicksal "der Dichter schweigt". Was die Gewalt betrifft, hat diese schwache Frau aber als Priesterin die Pflicht, die Fremden hinzurichten. Iphigenie, die mit einer Amazone verglichen wird, hat auch ein heftiges Gefiuhl, so wie Kleists Penthesilea. Thoas' Charakter ist auch nuanciert dargestellt. Der Skythenkonig, der auf den ersten Blick nur die Gewalt zu verkorpern scheint, gibt doch mit seinem Wort "Sprich offen!" Iphigenie den ersten AnstoB zur Losung durch die Sprache. Thoas, dessen Schwache Reden sei, hasst den, der "kunstlich dichtend" betrugt. Er wirft den zivilisierten Griechen Gewalt und List vor. Iphigenie und Thoas leiden beide in Bezug auf die Sprache unter ihrer Entfremdung, und gerade deswegen konnen sie eine kritische Einstellung zu den listigen Worten haben. Die Gotterworte, die uber alle Personen dieses Dramas herrschen, sind untrennbar mit der Gewalt verbunden. Die Gotter strafen den beredten Tantalus, Iphigenies Urvater, fur seine Hybris mit dem Fluch, dass seine Familie auf ewig Rache wiederholen soll. Aber der gottliche Orakelspruch gibt Iphigenie und Orest auch eine Chance, diesem Schicksal zu entkommen. In Goethes Ipbigenie, in dem anders als bei Euripides kein Gott auftritt, kommunizieren die Personen mit dem abwesenden Gott durch ihre Auslegungen des Orakels. Die Doppeldeutigkeit des Orakels bringt die Sache in Verwirrung und verleitet die Griechen zu einer neuen Gewalttat. Aber wegen dieser Doppeldeutigkeit, die den Menschen die Autonomie im Glauben gibt, gelingt es Orest, durch seine Umdeutung, aus dem Orakel das Moment der Gewalt zu entfernen. Iphigenie erinnert sich in ihrem Monolog im funften Auftritt des vierten Aufzugs an "das Lied der Parzen", die uber die Unerbittlichkeit der Gotter klagen. Im dritten Auftritt des funften Aufzugs erscheint Thoas als Stellvertreter des abwesenden Gottes. Iphigenie tritt dem Thoas, der sic zur Hinrichtung zwingen will, mit ihrem "wilden Lied" entgegen. Sie tadelt ihn wegen der "Gewalt, die sich der Schwachheit eines Weibes freut" und sagt : "Ich habe nichts als Worte". Im Prozess dieses Dialogs entdeckt sie ihr wahres Selbst. Durch ihre Selbstreflexion gelangt sie zu einer "unerhorten Tat", die aber keine Gewalttat mehr ist. Ihr Bekenntnis der Wahrheit wird unter dem Prinzip der Weiblichkeit durchgefuhrt. Thoas hort in der letzten Szene Iphigenies "Stimme der Wahrheit und der Menschlichkeit" und erlaubt ihr die Heimkehr. Er verschweigt aber sein Inneres. Nicht nur in der Kommunikation zwischen den Menschen und dem abwesenden Gott, sondern auch in der zwischen Iphigenie und dem schweigenden Thoas liegt ein Abgrund. Wahrend Martin Walser, der Thoas fur einen aufgeklarten "Weimaraner" halt, die Homogenitat zwischen beiden voraussetzt und diesen Abgrund ignoriert, versucht Theodor W. Adorno die Heterogenitat zwischen beiden zu retten, indem er in Iphigenies Bekenntnis die Selbstnegierung der Zivilisation sieht. Iphigenie und Thoas beeinflussen sich in ihrer Kommunikation. Auf dieser Veranderbarkeit der menschlichen Beziehungen basiert die "Dialektik" (Adorno) dieses Dramas. Ipbigenie ist das Drama der Selbstreflexion der Literatur. Goethe lebte unter dem "Fluch" einer Zeit, in der die Dichtung trotz aller gesellschaftlichen Widerspruche "harmonisch" sein sollte. Er thematisiert in diesem Drama die Verflechtung von Wort und Gewalt und setzt sich kritisch mit diesem Problem auseinander. Benedikt JeBing weist darauf hin, dass Goethe im Schreibprozess der Ipbigenie in einem Brief die Harmonisierung der Verse mit einer Gewaltmetapher beschrieb. Goethe war sich der Paradoxie bewusst, dass auch die Harmonisierung der Worte als Gewalt funktionieren kann. JeBing sieht im metrischen Bruch von Orests Offenbarung "Sei Wahrheit!" einen Widerstand gegen die Gewalt der harmonisierenden Sprache. Aber der metrische Bruch in Thoas' letztem Wort "Lebt wohl!" ist auch bemerkenswert, weil er wegen seiner vollkommenen Offenheit radikaler ist. Iphigenie hofft, dass der Fluch, der auf ihrer Familie lastet, "ermattet". Sie will die Gewalt "durch Gewaltlosigkeit unterbieten" (Adorno), aber diese Hoffnung bleibt eine Phantasmagorie, wie es das Ende von Goethes Novelle Die neue Melusine zeigt. Der Sinn des letzten Wortes Thoas' ist zwar gewaltfrei, aber der formale Bruch kann Thoas' Widerstand gegen Iphigenie andeuten, die eine "freundliche" Versohnung fordert, was doch fur Thoas immer noch als Gewalt funktioniert. In einem Gesprach mit Eckermann sagt Goethe uber Ipbigenie : "Wir wollen […] kraftvolle Griechen und Helden sehen, die […] stark herausreden, was ihnen das Herz im Busen gebietet." Iphigenie tritt in der Eroffnung des Dramas mit dem Wort "Heraus" auf. Dieses Wort bestimmt die Richtung dieses Dramas, in dem die Wahrheit des inneren Herzens "herausgeredet" wird, obwohl das ideale Bild von Griechenland dadurch unwiederbringlich zerstort und verloren wird. Von Iphigenies darauffolgendem Wort "in eure Schatten, rege Wipfel des alten, heiligen, dichtbelaubten Haines" konnte man ihren Entschluss ablesen, den Schauplatz "Hain" zu betreten, wo Worte gewechselt werden, die sich notwendigerweise auf das Moment der Gewalt beziehen mussen und deswegen die Menschen fesseln und zugleich befreien.
- 2007-10-15