水底から浮かぶ否定性 : 「水の女」という名の流動体(<特集>否定性の諸相)
スポンサーリンク
概要
- 論文の詳細を見る
Die Literaturgeschichte besteht aus einer Reihe von "Negationen", mit denen jeweils eine neue Stromung die vorangegangene ablehnt. Die deutsche Literatur, so die These des Aufsatzes, erlangte hingegen ihre Modernitat durch "Selbstnegation", mit der die Unzulanglichkeit der Sprache kritisch hinterfragt wurde. Seit der Jahrhundertwende trat dort, wo die Sprache als transparentes Medium versagte, die Unfahigkeit der Sprache zutage, als Mittel der sprachlichen Artikulation und Kommunikation zu funktionieren. Zugleich wurde die Moglichkeit eroffnet, die asthetischen Wirkungen des sprachlichen "Defekts" zu nutzen. Mit der "Negativitat der Sprache" setzten sich Nietzsche, Mauthner und Benjamin auseinander; in der literarischen Moderne wurde die asthetische Sprachskepsis u.a. von Hofmannsthal, Kafka und Musil reflektiert und produktiv umgesetzt. Schon die deutsche Romantik hat sowohl das Unsagbare als auch das Unerkennbare in die Reflexion und Darstellung der Literatur einbezogen. Aber sie zog daraus noch keine sprachkritischen Konsequenzen. Erst um die Jahrhundertwende brachte Hofmannsthal in seinem Chandos-Brief das Versagen der Sprache als Medium der Kommunikation ins allgemeine Bewusstsein. Ein Brief (1902) handelt aber nicht nur von der Krise der Literatur, sondern bietet auch Anlass dazu, die Unzulanglichkeit der Sprache poetisch zu entwerfen und auszufuhren. Dabei gelangte Chandos zu einer neuen Erkenntnis, und zwar genau in dem Augenblick, als ihn eine Art Mitleid erfullte: "[…] ein ungeheures Anteilnehmen, ein Hinuberfliessen in jene Geschopfe [Ratten, Y.O.] oder ein Fuhlen, dass ein Fluidum des Lebens und Todes, des Traumes und Wachens fur einen Augenblick in sie hinubergeflossen ist-von woher?" Dieses besondere Fluidum gab den Anstoss zu der Bewegung der Moderne in der deutschsprachigen Literatur, obgleich die Frage des "Woher" unbeantwortet blieb. Bereits Novalis hielt die Poesie fur "flussig". Generell kann man sagen, dass es in der europaischen Literatur einen Beruhrungspunkt von Sprache und Flussigkeit gibt, an dem immer wieder das Zusammentreffen von Ausdruckbarem und Unausdruckbarem sichtbar wird. Es geht hier um einen "Topos", der seit der Antike bekannt ist, namlich, dass etwas aus einem "Fluidum" hervorgeht. Dieser Topos setzt sich in der neueren deutschen Literatur mit der Reflexion und Darstellung des Unsagbaren fort und vertieft sich gewissermassen, indem es in der Moderne beginnt, sich auf "die poetische Negativitat" zu beziehen. Der besagte Topos lasst sich besonders gut am Motiv der Wasserjungfrau aufzeigen. Im vorliegenden Aufsatz wird eine Auswahl literarischer Texte mit dem Ziel behandelt, die Entwicklung des Wasserfrauenmotivs von Wieland und Goethe durch die Romantik bis zur Moderne zu skizzieren und seinen Zusammenhang mit der Negativitat aufzudecken. In der abendlandischen Literaturgeschichte wird die "Wasserfraugeschichte" in ununterbrochener Tradition nach- und neuerzahlt. Seit der Sirenenepisode aus Homers Odyssee ist das Grundproblem die Dichotomie von sagbarer Verwandtschaft und unsagbarer Fremdheit. Das literarische Erzahlen richtet sich auf etwas, das fremd und unsagbar ist, und versucht dann, es erzahlbar zu machen, wobei es freilich nicht immer auch verstandlicher wird. Fur die Poesie bedeutet es eine Herausforderung, dieses Fremde in der Sprache einzufangen, obwohl es dennoch oft undarstellbar oder unentzifferbar bleibt. Dieser Konflikt wird jedoch in der neueren Erzahlkunst, vor allem im Marchen, weniger heraufbeschworen. In der europaischen Literatur entsteht das erste Kunstmarchen im ersten Roman Wielands Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva (1764), vor allem in der Geschichte des Prinzen Biribinker, wo die Wasserfrauen nur auf den Wellen rhetorischer Allerlei-Diskurse schwimmen. Die betorenden Stimmen aus der Wassertiefe sinken erst in Goethes Ballade Der Fischer (1778) in die Tiefen des menschlichen Gemutes. Was der "Fischer" hort, ertont, wie Baudelaire und C. G. Jung meinen, aus den Abgrunden seines eigenen Inneren, und die so genannte Ballade des "feuchte[n], Weib[es]" sinkt in die Tiefen seines Gemutes zuruck. Es handelt sich dabei um eine komplexe Erfahrung, die das neuzeitliche Ich nicht nur mit der Fremde der ausseren Wirklichkeit, sondern auch mit den eigenen fremden Seelentiefen macht. Unter dem Einfluss des musikasthetischen Paradigmenwechsels um 1800 wurde die Wassermetaphorik in der deutschen Romantik gern verwendet, weil die Musik wie eine ratselhafte Flussigkeit beruhigend oder anregend auf die Menschenseele wirkt. Wenn die ursprungliche Zaubermacht der Musik wiederbelebt wird, verfugen die Sirenen wieder uber ihre betorenden Stimmen als Mittel der Verlockung. In der BOGS-Erzahlung von Brentano und Gorres (1807) wirkt die Musik auf den Uhrmacher Bogs wie ein Halluzinogen und fuhrt ihn in phantastische Wassertiefen. Dort reichte einem Hirtenknaben, Klarin genannt, eine Sirene, "einen Trunk aus dem Becher von Thule […], sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm, da wars um ihn geschehn, halb zog sie ihn, halb sank er hin, und ward nicht mehr gesehn". Im romantischen Kunstmarchen tragen Menschen und Wasserwesen keinen mythischen Konflikt mehr aus. Das wird vor allem in Fouques Erzahlung Undine deutlich, die mit dem Bild der Aussohnung zwischen Land und Wasser anfangt und mit der ewigen Umarmung der Wasserfrau durch ihren Liebsten endet. 1811, als diese Versohnung sozusagen ihren literarischen Hohepunkt erreicht, kommt es in Kleists Wassermanner und Sirenen erneut zu einem Widerstreit. Seit alters her konnen sich in der Dichtung Wasserfrauen mit Menschen sprachlich verstandigen, ob die beiden sich nun feindlich oder freundlich gesonnen sind. Bei Kleist erscheint aber das fremde Wasserwesen nicht mehr als redseliger Elementargeist, sondern in einer sprachlohen Weiblichkeit. Heinrich Heines Gedicht Lorelei (1827) fuhrt den Kampf der Geschlechter fort. Die Ballade beruft sich auf die damalige Hochkonjunktur des Lorelei-Motivs und gibt der Wasserfrau die komplexen Verfuhrungsmittel von jungfraulichem Leib und magischer Stimme, ohne die sprachliche Verstandigung der Wasserfrau mit Menschenmannern zu evozieren. Die Kleine Meerjungfrau (1837) von Hans Christian Andersen ist sehr stark von Fouques Undine beeinflusst. Doch Andersens Wasserfrau kann sich weder als Wasserwesen im Meer noch als Mensch auf dem Land oder als Luftgeist im Himmel mit den Menschen verstandigen. Es geht hier um das Scheitern der sprachlichen Kommunikation. In Deutschland hat die literarische Moderne mit der Frage nach der Quelle des Fluidums eingesetzt, um sich dann mit der Negativitat der Sprache auseinanderzusetzen. Dabei werden die asthetischen Wirkungen der sprachlichen Negativitat literarisch genutzt, wie Rilkes Die Insel der Sirenen (1907), Kafkas Das Schweigen der Sirenen (1917), Brechts Odysseus und die Sirenen (1933), Thomas Manns Doktor Faustus (1947) und Bachmanns Undine geht (1961) zeigen. Die modernen Dichter identifizieren sich nicht selten mit den schweigenden oder klagenden Wasserfrauen, wobei die Entwicklung vom sprachlichen Versagen zum poetisch vielsagenden Schweigen verlauft.
- 2011-03-25