J.G.ハーマンにおける「霊」 : Daimon-Genius-Genie(<特集>デモーニッシュ)
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概要
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Hamanns erstes Werk tragt den Titel "Sokratische Denkwurdigkeiten" (1759). Motiviert wurde diese Schrift von aussen: Sein Freund Berens, ein Rigaer Kaufmann und uberzeugter Anhanger der Aufklarung, bedauerte Hamanns "Bekehrung" zum christlichen Glauben, die sich ein Jahr zuvor in London ereignet hatte, und wollte ihn wieder fur sein Lager zuruckgewinnen. Berens bat Kant, den damaligen Philosophiedozenten der Konigsberger Universitat, um Hilfe und besuchte Hamann mit ihm zusammen, um den "schwarmenden" zu einer "nutzlicheren" Tatigkeit zu veranlassen. Nach einem ironisch-humoristischem Brief an Kant schrieb Hamann dann seine Erstlingsschrift. Sie war abet keine blosse Apologie seines neuen Lebenswandels. Hamann schildert alle Seiten von Sokrates' Leben, auch die dunklen, mit einigen fur ihn nachteiligen Erkenntnissen. Seine Unwissenheit ist keine bloss intellektuelle Schwachheit, sondern ein moralisch-existenzielles Unvermogen, das als Urquell seines inneren Leidens sein ganzes Dasein bestimmt und es ins Nichts aufzulosen droht. Hamann sieht in Sokrates' Gestandnis der Unwissenheit eine Entsprechung zum biblischen Sundenbekenntnis. Dass er diese Selbsterkenntnis der eigenen Problematik als tiefste Erfahrung des Sokrates deutet, erlaubt es Hamann, die sokratische Unwissenheit auf Empfindung zu grunden. "Die Unwissenheit des Sokrates war Empfindung. Zwischen Empfindung aber und einen [sic!] Lehrsatz ist ein grosserer Unterscheid als zwischen einem lebenden Thier und anatomischen Gerippe desselben." (II, 73) Hamann fugt hinzu, dass diese Selbsterkenntnis vollig verschieden von jedem intellektuellen Nichtwissen sei. Weil die Unwissenheit bei Sokrates tief ins Dasein eingepragt sei, als ware sie ein Teil seines Leibes geworden, erhalte sie die Bestatigung von innen, d.h. vom ganzen Leben. Die Wirklichkeit dieses Lebens sei viel tiefer als die des blossen Verstandes, der nur intellektuell Beweise und Grunde angeben konne. Hamann vergleicht die Gewissheit dieser Empfindung mit der des Todes: "Was ist gewisser als des Menschen Ende?" Unwissenheit ist demnach keineswegs der Nullpunkt, der nur eine blosse Leere bedeutet, sondern sie ist ein pragnantes Nichts, wodurch alles bestimmt und geordnet wird, wie das Leben erst vom Tod her seinen vollen Sinn erhalt. In diesem Zusammenhang deutet Hamann selbst an, dass die Unwissenheit mit dem Glauben gleichen Ursprungs sei. Die Unwissenheit ist bei Sokrates als Erkenntnis seines Selbsts als Nichts tief ins Dasein eingesenkt und deutet mithin auf das Positive, welches ausseren Ursprungs ist. Sokrates vertraut namlich seinem "Damon", was Hamann zunachst mit dem Wort "Genie" wiedergibt. "Was ersetzt bey Homer die Unwissenheit der Kunstregeln, die ein Aristoteles nach ihm erdacht, und was bey einem Shakesspear die Unwissenheit oder Uebertretung jener kritischen Gesetze? Das Genie ist die einmuthige Antwort." (II, 76) Zwei Dichternamen werden hier genannt. Hamann scheint plotzlich das neue Thema des literarischen Genies aufzugreifen. Seine Erwahnung des Genies in dieser Schrift ist aber nicht so sehr literarisch orientiert, sie zeigt eher die Gegenwartsbezogenheit des sokratischen "Damon". Was Hamann unter Genie versteht, bezeugt er selbst mit einem pragnanten Ausdruck: "Sokrates hatte also freylich gut unwissend seyn; er hatte einen Genius, auf dessen Wissenschaft er sich verlassen konnte, den er liebte und furchtete als seinen Gott, an dessen Frieden ihm mehr gelegen war, als an aller Vernunft der Egypter und Griechen, dessen Stimme er glaubte, und durch dessen Wind, […] der leere Verstand eines Sokrates so gut als der Schoos einer reinen Jungfrau, fruchtbar werden kann." (II, 76) Das Genie wird hier durch den Genius ersetzt, der dem Menschen nicht von Natur aus eigen ist, sondern immer von aussen kommt und in ihm haust. Der Damon des Sokrates wird als solch ein Schutzgeist verstanden. Hier wird dann auf jene bekannte Stelle der "Spruche Salomos" (1, 7) hingewiesen, die das Wesen der Weisheit lehrt. Die Haltung des Sokrates zu seinem Genius wird mit der biblischen "Furcht des Herrn" gleichgesetzt. Das andere Bild spielt auf eine Episode von Nikodemus (Joh. 3, 8) an, in der Jesus die Wirkung des Geistes mit der des Windes vergleicht, der gegenwartig blast, aber dessen Ursprung und Zielrichtung dem Menschen unbekannt bleiben. Dieser Wind weist, zusammen mit dem Bild von der Befruchtung der Jungfrau Maria, auf die Neugeburt durch den Geist hin. Bei dem Empfang des Genies, dieses Genius, handelt es sich also um eine Neugeburt, um eine Neuschopfung von oben. Erkenntnis entsteht als Neugeburt, als Neuschopfung aus dem Nichts. Der Genius ist es, der dabei sowohl das neue Leben als auch die Weisheit ermoglicht und verwirklicht. Die Unwissenheit des Sokrates ist hier im Horizont der Bibel im pneumatologisch-soteriologischen Sinne verstanden. Warum gibt er diesem Genius, dem biblischen Geist, eine asthetisch-literarische Pragung? Hamann spricht einmal von der besten Art, uber Gott nachzudenken und nennt als besten Weg den "als Christ oder Poet." Daraus ist zu schliessen, dass die beiden Existenzbestimmungen, Christ zu sein und Poet zu sein, fur Hamann eigentlich nicht verschieden sind: Beide sind Begeisterte. Diese Auffassung der Begeisterung kommt bei Hamann vor allem von den biblischen Propheten her. Die pneumatologische Seite der prophetischen Existenz hat er in den "Wolken" noch weiter entwickelt. Im dritten Aufzug behandelt er den Vorwurf, dass "der sokratische Schriftsteller an Korper und Kopf ungesund sey." Fur die gesunde Vernunft, die die aufklarerisch Gesinnten hochachten, sei die Art, wie hier Sokrates dargestellt wird, "verwirrt", "unsinnig" und "voll susses Weins". Sie verurteilen das Genie als "Besessenen, Mondsuchtigen und Paralytischen", das voll von der "Krankheit", "Raserey" und "fanatischem Schwindel" sei. (II, 104-106) Hamann will aber philologisch verdeutlichen, welches Wesen hinter diesen negativen Phanomenen steckt. "Nichts ist also mehr ubrig als die Granzstreitigkeiten des Genies mit der Tollheit zu unterscheiden. Das groste Schisma hierin ist unter den Juden gewesen uber den Vortrag eines Propheten aus ihren Brudern. Einige sagten: ΔAIMONION εχει жαι MAINETAI [Er (=Jesus) hat einen bosen Geist und ist unsinnig. Joh. 10, 20]." (II, 104) Hamann fuhrt dann Davids "Geberde am Hofe zu Gath" (1. Sam. 17) als Beispiel an und setzt sie mit der "Verwirrung" des Paulus vor Festus gleich (Apg. 26, 24). Er zeigt dadurch, dass die prophetische Existenz notwendig von den negativen Erscheinungen des Geistes begleitet wird. Dies seien aber "das Θειον [Gottliche]", das Hippokrates vergebens zu vernichten versuchte. Hamann zitiert das Endresultat des Hippokrates und deutet darin auf das Wesen des Geistes: Alles ist gottlich, und alles ist menschlich. Dies ist ein wichtiger Satz, der Hamanns Hauptgedanken ausspricht, dass namlich die ganze Wirklichkeit dieser Welt "Herablassung Gottes" sei. Gott lasst sich leidenschaftlich mit all seiner Liebe zu den Niedrigen herab. Diese Herablassung zeichnet sich noch durch eine andere Dimension aus: Ironic ist bei den Propheten eines der gottlichen Kampfmittel und ein Ausdruck der Starke der Sprache Gottes. Gott lasst sich herab und eignet sich die Redeweise des Menschen, ja des Feindes selbst, an, um dadurch gerade diesen Feind zu besiegen. Hamann sieht ein Beispiel solcher "gottlichen Ironie" eben in der Geschichte von David und Goliath (1. Sam. 17). Er setzt namlich "Goliaths Schwert" mit dessen spottischen Worten gleich. Das Schwert allegorisiert dabei die Scharfe der Ironie, mit der man Gott zu verspotten versucht. Goliath wurde zuletzt mit "seinem eigenen" Schwert enthauptet. Das versinnbildlicht, dass Gott die Feinde mit deren eigenen Waffen schlagt. Dies ist nach Hamann die Kampfweise Gottes, womit er immer seinen Feind besiegt. So ist "die Thorheit des Genies reich genug die Weisheit zu ersetzen." (II, 107) Diese Redekunst eignete sich Hamann selbst an. In der "Aesthetica in nuce" wurden z.B. auch mythologische Figuren - Bacchus, Ceres und Narziss - im Sinne des sokratischen Damons als Zeugen der gottlichen Rede herangezogen. Dabei kommt die Rolle des "Geistes" auch beim Verstandnis der Geschichte deutlich zum Tragen. Fur Hamann ist die geschichtliche Wahrheit nicht das absolut und einzig Bestimmte. Sie erhalte je nach der Situation der Mitteilung ihren Leib und ihr Kleid. Die Mitteilung werde dabei zuerst von der "Empfindung" des Verfassers der Geschichtsschreibung bestimmt. Und nur bei demjenigen, der dieselbe Empfindung habe, konne diese Mitteilung Resonanz finden. Denn Geschichte werde nur dann wieder lebendig und fange an zu tonen, wenn man sich dazu mit all seiner "Empfindung" affektiv verhalte. Es handle sich dabei einzig um die Lebensfrage, wie man einer zeitlich entruckten Person wie Sokrates mit seiner ganzen Existenz begegne. Das bezeugt Hamann schon in seiner Erstlingsschrift: "Sokrates scheint von seiner Unwissenheit so viel geredt zu haben als ein Hypochondrianer von seiner eingebildeten Krankheit. Wie man dies Ubel selbst kennen muss um einen Milzsuchtigen zu verstehen und aus ihm klug zu werden; so gehort vielleicht eine Sympathie der Unwissenheit dazu von der sokratischen einen Begriff zu haben." (II, 70) Die Sym-pathie im Sinne des existenziellen Mit-leidens ist es, die auch dabei eine Mitteilung ermoglicht und verwirklicht, indem sic die Distanz der Zeit suspendiert und jeder spezifischen Situation das leidende Pathos als "gleichzeitig" einpflanzt. Eben auf dieser existenziellen Sympathie ruht Hamanns hermeneutischer Standpunkt. In der spateren Schrift "Entkleidung und Verklarung" nennt er diese dialogisch-dialektische Geschichtsauffassung, die heute "Typologie" genannt wird, "Geist der Weissagung": "Geist der Beobachtung und Geist der Weissagung sind die Fittige des menschlichen Genius. […]" (III, 382)
- 2009-03-25